Der Krimi um den Kolibri
Der Krimi um den Kolibri.
Mirko Hannemann fuhr am 26. Oktober 2010 am Brandenburger Tor vor.
Mit einem Elektroauto. Mit einem umgebauten, elektrifizierter Audi A2. 600 km von München nach Berlin. Ein für damalige Zeit unvorstellbarer Wert.
Basis war ein Lithium-Metall-Polymer-Akku (LMP). Mit einem Wirkungsgrad von über 97 Prozent deutlich leistungsfähiger ist als alle handelsüblichen Lithium-Ionen-Batterien.
Als er seinerzeit in Berlin ankam, wurde er noch groß gefeiert. Am Brandenburger Tor empfing ihn sogar der damalige Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP). 2010 war Hannemann oben. Selbst die “Tagesschau” berichtete. Es gab Geld – Fördergeld. Immerhin: Weltrekord.
Doch Hannemann, der auch schon mal als Steve Jobs der Autoindustrie bezeichnet wurde, hatte sich mit seiner Rekordfahrt nicht nur Freunde gemacht.
Die vorgeführte deutsche Automobilbranche schlug heftig zurück.
Von Anfang an wurde kolportiert, dass Hannemanns Elektroauto eine Mogelpackung sei. Bis hin zu einer versteckt eingebauten Kleinstbrennstoffzelle wurde Hannemann Trickserei unterstellt.
Hiergegen halfen auch die unabhängigen Tests dann nicht, die dem Kolibri-Akku tatsächlich besondere Leistungsfähigkeit und Robustheit bescheinigten.
Die Firma brennt
Auf dem Höhepunkt der hitzig geführten Debatte um das Auto, ging die Halle der Firma plötzlich in Flammen auf. Und mit ihr der Prototyp des Rekordautos. Brandstiftung. Soviel ist klar. Der Täter ist bis heute unbekannt.
Ende 2010. Jetzt wird es eng für den jungen Unternehmer. Jetzt unterstellt ihm selbst die “ADAC Motorwelt” getrickst zu haben. Die Versicherung weigert sich zunächst zu zahlen. Jetzt wird es wirklich eng. 2010 endet nicht wirklich gut.
Hannemann nimmt sich zurück. Verschwindet aus den Schlagzeilen. Und nutzt die Zeit. Mit an Bord ist jetzt der Unternehmensberater und ehemalige AEG-Vorstand Helmuth von Grolman. Man entwickelt Feststoffbatterien für Fahrzeuge und stationäre Stromspeicher.
Die Batterien sind gut. Es gibt einen Markt dafür. Von Grolman erkennt das. Er weiß das. Und neben ihm der quirlige Hannemann. Der Junge hat Ahnung. Der weiss was von Batterien. Der ist auch noch sympathisch. Der hat was von Entertainer.
Und Grolman ist Manager. Er kennt die alte Manager Weisheit: Finde einen guten Mann, und du bist gut. Finde zwei gute Männer, und du bist sehr gut. Binde zwei gute Männer und du bist genial. In dieser Zeit werden die beiden wohl auch Freunde. Von Grolman kämpft. Er ist Realist. Er weiß, dass die kleine Firma nur in der Nische überleben kann.
Es folgen Umstrukturierungen. Der Firmensitz wird verlegt. 2012 wird für den Vertrieb die Kolibri Power Systems AG gegründet. Der kleine sechs Mann Betrieb wächst auf 30 Mitarbeiter heran. Von Grolman ist Geschäftsführer. Erfinder Hannemann ist Entwicklungschef.
Man arbeitet weiter erfolgreich an den Batterien.
Aufträge für spezielle Anwendungen gehen ein. Die Firma läuft. Von Grolman und das Team arbeiten geräuschlos und effizient. Alles scheint gut. Von Hannemann hört man da nichts.
Von Grolman vermeidet großspurige Ankündigungen. Selbst Flugzeughersteller Boeing fragt da schon an.
Die können was. Die haben was drauf. Sonst wären die schon tot.
Ruhig entwickelt, produziert und vermarktet Kolibri seine Akkus.
Dann kommt der Knall.
Kolibri Power Systems AG stellt Strafanzeige gegen Mirko Hannemann. In der Pressemitteilung vom 14.04.2015 fallen harte Worte. Geschäftsführer Hannemann habe Sorgfaltspflichten erheblich verletzt. Fristlos entlassen. Kompetenzen systematisch missbraucht. Massiver finanzielle Schaden. Strafanzeige. Hausverbot.
Die Firma ist in Schieflage. Grolman sagt, es seien etwa 3,5 Millionen Euro weg. Strafanzeige sei nicht nur gegen Hannemann erstattet worden. Auch gegen seine Lebensgefährtin habe man Anzeige erstattet.
Es ist die Rede von Scheingeschäften, Betrug und Luxusleben.
Hannemann braucht den Glamour. Er braucht den Auftritt. Wenn ihm das auf der Bühne der Firma nicht mehr geboten wird, dann eben daneben privat.
Schade. Hannemann war gut, mutig, schnell – und laut. Vielleicht zu laut.
Einen ganz anderen Eindruck bekommt man allerdings, wenn man dieses Interview mit Mirko Hannemann von 10.07.2018 sieht.
Ab Abspielzeit 13:51 geht Hannemann in dem Interview auch kurz auf die Insolvenz 2015 ein. Aber an sich geht es hier um Technik.
Das Ende: Der Neuanfang
Nach der Geschichte Hannemann ist Kolibri insolvent. Grolman stellt Antrag auf Insolvenzeröffnung und vereinbart mit dem Insolvenzverwalter Restrukturierung im Wege der übertragenen Sanierung. Der Insolvenzverwalter hat den hohen Entwicklungsstand und das hochmotivierte Team gesehen und zugestimmt.
Im Sommer 2015 unterbreiten dann Grolman und Investoren das Höchstgebot für die insolvente Firma. Sie wird umbenannt in Colibri Energy. Sie hat sich mittlerweile spezialisiert auf die Lieferung von elektrifizierten Flughafenvorfeld Fahrzeugen. Weltweit sind bereits über 500 Fahrzeuge mit den Akkus von Colibri Energy unterwegs.